von Detlef Georgia Schulze
In Teil I ging es vor allem um die kürzlich veröffentlichte Stellungnahme der Marx21-AutorInnen Christine Buchholz und Volkard Mosler zu #LinkeMeToo. Diese sprachen sich für eine „sachliche Untersuchung“, eine „klare[n] Reihenfolge von Untersuchung, Beurteilung und möglichen Sanktionen“ und die „Hinterfragung“ (auch) des „Empfinden[s] der eine Beschuldigung erhebenden Person“ aus.
Was darunter genau verstehen, wird in dem Artikel nicht. Die Praxis in der britischen (quasi-)Schwesterorganisation, der britischen Socialist Workers Party (SWP), läßt Übles befürchten. Auf der Webseite des International Socialist Network (ISN), das im Zug der Auseinandersetzung über den Umgang mit mehreren Fällen von Vergewaltigung in der britischen SWP entstand, und bis 2015 existierte, ist der Bericht einer der Betroffenen (Opfer) über ihre Erfahrungen mit der dispute commission (Konflikt-/ Schiedskommission) der SWP veröffentlicht:
Unklare Strukturen und Hinhalten des Opfers
Anscheinend gibt es in der SWP gerade kein geordnetes, den Mitgliedern bekanntes Verfahren, mit der sie sich an die Schiedskommission wenden können. Die betroffene Frau berichtete jedenfalls:
„In late January I contacted my organiser to inform them I wanted to make a complaint. It was suggested that a female member in the district would hear my complaint and act as my intermediary.“ /
„Ende Januar kontaktierte ich meinen organiser, um ihn/sie darüber zu informieren, daß ich eine Beschwerde machen möchte. Es wurde vorgeschlagen, daß sich ein weibliches Mitglied aus meinem Bezirk meine Beschwerde anhöre und [dann] als meine Intermediärin handele [auftrete/agiere].“
Nachdem die Intermediärin sich an die Schiedskommission wandte, wurde die Betroffene aufgefordert, die Beschwerde selbst einzureichen. Diese antwortete darauf:
„Please accept this email as my formal complaint to the disputes committee. I have attached the previously forwarded, by [***], notes with one slight change and these are the basis of my complaint.“ /
„Bitte akzeptiert die hiesige e-mail als meine formelle Beschwerde an die Schiedskommission. Ich habe – die von [****] zuvor weitergeleiteten Notizen mit einer leichten Änderung beigefügt, und diese [Notizen] sind das Fundament [der Kern] meiner Beschwerde.“
Verpflichtung des Opfers (!) zu Verschwiegenheit
Dies genügte der Schiedskommission immer noch noch nicht. Letztere schrieb dem Opfer nunmehr:
„You are asking the DC to accept a third party description of what you said to the third party, as the complaint. This is not possible. Currently, the DC has still not received your account of what happened to you, while the defendant has been suspended for the past two weeks.
You need to finalise your own complaint.
Further, on the phone on Wednesday evening, you named three people to whom you have previously disclosed the identity of the defendant and to whom you are currently disclosing where your DC process is up to. You have done this even though you have open access to your chosen intermediary. Your actions are breaching the confidentiality that must surround complaints processes as well as identities and complaint details.
We recognise that this is difficult for you. We are trying to enable you to communicate clearly with the DC, and to protect the well-being, information and confidential identity of involved Comrades to the best of our abilities. It is vital that we work out the most constructive way forward from this juncture. The DC asks that you contact us at your earliest opportunity to discuss this further.
This correspondence is confidential between the DC and yourselves.”
„Du bittest die Schiedskommission die Beschreibung einer dritten Personen, dessen was Du dieser Person sagtest, als Beschwerde zu akzeptieren. Dies ist nicht möglich. Bis jetzt hat die Schiedskommission nicht Deine Darstellung, dessen was Dir passierte, während der Beschuldigte bereits seit zwei Wochen suspendiert ist.
Du mußt Deine Beschwerde fertig stellen.
Des weiteren: Bei dem Telefongespräch am Dienstagabend nanntest Du drei Personen, denen Du bei früherer Gelegenheit den Namen des Beschuldigten nanntest und denen Du gegenwärtigen über den [jeweiligen] Stand Deines Schiedsverfahrens berichtest. Du hast dies getan, obwohl Du freien Zugang zu der von Dir gewählten Intermediärin hast. Deine Handlungen verletzten die Vertraulichkeit, die sowohl Beschwerdeverfahren als auch die Identitäten [der Beteiligten] als auch die Beschwerdedetails ummanteln [umschließen] muß.
Wir anerkennen, daß das schwierig für Dich ist. Wir versuchen, Dich in die Lage zu versetzen klar [und deutlich] mit der Schiedskommission zu kommunizieren, und das Wohlbefinden, die Informationen und die Identität der involvierten [beteiligten] GenossInnen bestmöglich zu schützen. Die Schiedskommission bittet Dich, Dich frühestmöglich [bei uns] zu melden, um dies genauer zu besprechen.
Dieser mail-Wechsel zwischen der Schiedskommission und Dir ist vertraulich.“
Die Schiedskommission beharrte also auf weiteren Ausführungen der Betroffenen und machte ihr außerdem zum Vorwurf, daß sie mit anderen Personen über das, was ihr geschehen ist, gesprochen und dabei den Täter namhaft gemacht hat.
Mag über eine Namensnennung diskutiert werden können, wenn sie zum einen gegenüber Personen außerhalb der Partei erfolgt und die Partei zum anderen klandestin organisiert ist, so handelt es sich bei der SWP aber um keine klandestine Partei, sondern um eine offen auftretende Partei, die schon sowohl allein als auch im Rahmen von Wahlbündnissen mit anderen Parteien zu Wahlen antrat und die sowohl eine Postfach-Adresse als auch eine öffentlich bekanntgegebene Telefonnummer unterhält. Auch treten deren Mitglieder mit Partei-Logos bei Demonstrationen – also ggf. unter den Augen der Polizei und anderer Interessierter – auf.
Im vorliegenden Fall hatte die Betroffene allerdings wohl ohnehin nur mit anderen Parteimitgliedern („comrades“) gesprochen (daß ParteifunktionärInnen nicht zu regulieren haben, worüber Parteimitglieder miteinander sprechen ‚dürfen‘, versteht sich hoffentlich von selbst):
„i spoke to the other comrades before i decided to come to disputes as i didn’t know what to do“.
„Ich sprach mit GenossInnen vor meine Entscheidung, die Schiedskommission anzurufen, da ich nicht wußte, wie dies geht [gemacht werden muß].“
Jedenfalls ist den Opfern von sexueller/sexualisierter Gewalt und solchen Mißbrauchs nicht zuzumuten, mit den Folgen der Tat – absehen von einer Mittelsperson zwischen Opfer und Schiedskommission – allein zurecht zu kommen.
Anreise von zwei Schiedskommissions-Mitgliedern, Fragen nach dem Vorleben und weiteres Hinhalten
Nachdem die Betroffene ein weiteres Statement an die Schiedskommission gesandt hatten, reisten zwei deren Mitglieder in die Gegend der Betroffenen und befragten sowohl den Täter als auch die Betroffene – getrennt voneinander. Zu ihrer eigenen Befragung berichtete die Vergewaltigte:
„Some of the questions that followed included ‚what effect would you say drink and drugs had on you that night?‘ I was also asked and pushed to talk about abuse that had happened to me previously, as earlier on that night I had been emotional and had confided in the man that assaulted me. This was extremely upsetting for me during a process that was already hard enough. […]. At the end of a very long and upsetting interview I was asked what I wanted to happen next. When I enquired further what was meant by that, I was asked whether I would like to make it an official complaint and have an official hearing. Up until this point I thought that this was already so and that this was part of the official hearing.
[…].
They went on further to say that it was unlikely that the DC would be able to find either way, especially taking into account the level of intoxication, without being sure of the effect it had on me (in fact I was stone cold sober by the time the assault happened, which I repeated throughout). They said that I couldn’t remember everything (in fact the only thing I couldn’t remember from the actual assault was what he had been saying to me), and that a hearing would be harder for me.
I was encouraged to drop the case, whilst being told that ‚it is of course your decision, you do what’s best for you‘, etc. Given such a bleak choice I decided to drop the complaint. I in no way feel this decision was mine – […].“
„Unter den gestellten Frage, war folgende: ‚Was würdest Du sagen, welchen Einfluß hatten Alkohol und Drogen auf Dich in dieser Nacht?‘ Ich wurde außerdem nach früherer Belästigung gefragt und gedrängt darauf zu antworten, weil ich in der [Tat]Nacht aufgeregt war und dem Mann vertraute, der mich [später] angriff. Das ging mir in einem Prozeß, der ohnehin anstrengend war, sehr an Nieren. […]. Am Ende der langen und ärgerliche Anhörung, wurde ich frage, was ich möchte, daß als nächstes geschieht. Als ich nachfragte, was das heißen solle, wurde ich gefragt, ob ich eine offizielle Beschwerde machen und eine offizielle Anhörung haben möchte. Bis zu diesem Zeitpunkt dachte ich, daß dies [die offizielle Beschwerde] bereits gemacht und dies [das Gespräch mit den beiden Schiedskommissions-Mitgliedern] bereits Teil der offiziellen Anhörung sei.
Sie setzten damit fort, daß sie sagten es sei – insbesondere angesichts des Grades der Intoxikation – unwahrscheinlich, daß die Schiedskommission irgendeinen Weg finde [irgendeine Entscheidung werde treffen können], ohne sicher zu sein, welchen Effekt diese [die Intoxikation] auf mich hatte (in Wirklichkeit war ich stocknüchtern, als der Angriff geschah, was ich [während der Anhörung] mehrfach wiederholte hatte). Sie sagten, ich könnte mich nicht an alles erinnern (in Wirklichkeit war die einzige Sache bezüglich des eigentlichen Angriffs, an ich mich nicht erinnern konnte, was er [der Täter dabei] zu mir sagte) und daß die [offizielle] Anhörung härter sein werde [als die informelle, die gerade stattfinde].
Mit wurde geraten, meine Beschuldigung fallen zu lassen, und gleichzeitig wurde mir gesagt: ‚Es ist selbstverständlich, Deine Entscheidung, was das beste für Dich ist‘, usw. Vor eine solch trostlose Wahl gestellt, entschloß ich mich, die Beschuldigung fallen zu lassen; in keiner Weise hatte ich das Gefühl, daß es meine eigene Entscheidung sei.“
Nach dem Gespräch erhielt die Vergewaltigte Anrufen der Intermediärin und von Schiedskommissions-Mitgliedern mit der Botschaft:
„If anyone asks you about the complaint or why it was dropped just say ‚I don’t want to talk about it‘ and ‚it was my decision‘.“ /
„Sollten Dir Fragen zu der Beschwerde oder, warum Du sie fallen ließt, gestellt werden, sage ich einfach, ‚Ich möchte nicht darüber sprechen‘ und ‚Es war meine Entscheidung‘.“
Außerdem stellte sie fest, daß der Täter
„was able to read my statement, while I have not seen his or even heard from the DC what he had said in response“ /
„Gelegenheit hatte, meine Statement zu lesen, während ich nicht zu sehen und nicht mal von der Schiedskommission zu hören bekam, was er antwortete“.
(Dieselbe asymmetrische Verfahrensweise gab es in der SWP in einem anderen Fall – dem unten erwähnten Fall der Betroffenen W. –:
„2. She was not told that when she sent her statement to the DC it would forwarded to M. 3. She was told that she would not have access to M’s statement, which meant that he was able to prepare his defence while she had no knowledge of what he would say against her.“ /
„2. Ihr war, als sie ihre Stellungnahme an die Schiedskommission sandte, nicht gesagt worden, daß sie an den M. [= den Täter] weitergeleitet wird. 3. Ihr wurde gesagt, daß die keinen Zugang zu dem Statement von M. haben wird, was bedeutete, daß er Gelegenheit hatte, seine Verteidigung vorzubereiten, während sie nicht wußte, was er ihr entgegensetzt.“)
Das politische Resümee der Betroffenen
Das politische Resümee der Frau lautete:
„They made me feel as if I was ridiculous for making a complaint and too damaged a person to really assess what had happened and how to deal with it. Following the interview I fell into a week-long state of mania. This is the real effect of what the SWP’s line towards women and rape is: it damages people, it is dangerous. […]. The similarities in how the cases of W and X were handled and how mine was are striking, and should be proof to anyone that the Socialist Workers Party is a group that is sexist, full of bullies, and above all will cover up rape to protect its male members and reputation. Taking this on board, the SWP is counter-revolutionary and is against the socialist tradition; we cannot have a revolution without fighting for the liberation of all oppressed groups – to cover up rape is oppressing women. So anyone who is a revolutionary, a socialist, a decent human being should have nothing to do with the SWP and its abhorrent practices.“
„Sie gaben mir das Gefühl, daß es hirnverbrannt gewesen sei, die Beschwerde zu machen, und eine Person zu sein, die zu verletzt ist, um wirklich beurteilen zu können, was geschehen ist und wie damit umzugehen ist. Nach Anhörung fiel ich in einen wochenlangen manischen Zustand. Das ist der reale Effekt, den der Umgang der SWP mit Frauen und Vergewaltigung hat: Er schädigt Menschen; er ist gefährlich. […]. Die Ähnlichkeiten, wie die Fälle von W und X gehandhabt wurden, und wie mein[ eigen]er sind sprechend [deutlich] und sollten von allen als Beweis angesehen werden, daß die Socialist Workers Party sexistisch und voll von brutualen Menschen ist sowie vor allem [obendrein] eine Vergewaltigung vertuschen wird, um ihre männliche Mitglieder und ihre Image zu schützen. Dies in Rechnung stellend, ist die SWP konterrevolutionär und wider die sozialistische Tradition; es kann keine Revolution geben, ohne für die Befreiung aller unterdrückten Gruppen zu kämpfen – eine Vergewaltigung zu vertuschen, ist Unterdrückung von Frauen. Deshalb sollten alle, die revolutionär sind, die sozialistisch sind und die anständige Menschen sind, nichts mit der SWP und deren verabscheuungswürdiger Praxis zu tun haben.“
(Die Frage, ob das von ihr Erlebte wirklich „against the socialist tradition“ oder vielmehr durchaus innerhalb der sozialistischen Tradition ist und nur selten öffentlich wird, sei allerdings aufgeworfen.)
Weitere Fälle in der SWP
Auf einer anderen Webseite (seinem eigenen Blog) berichtet einen früheres männliches SWP-Mitglied (Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt für Arbeitsrecht, der eines der Opfer in der SWP unterstützte) genauer über den Fall der Betroffenen W. (die die von mir ausführlich Zitierte erwähnte; siehe oben: „cases of W and X“):
„In 2010 a man called Martin Smith (‚Comrade Delta‘) was the National Secretary of the SWP, its day to day leader, the person who employs the other party workers. In July of that year, a 19 year old woman (‚Comrade W‘) complained that he had mistreated her. She didn’t use the word ‚rape‘, but the people who met her and heard her knew what she was talking about. […]. Smith was demoted from his position as National Secretary but remained in the SWP’s full-time leadership on its Central Committee.
Smith’s demotion was eventually explained to the membership at the SWP’s 2011 conference, where it was introduced by Alex Callinicos who complained about outside forces reporting on internal difficulties within the SWP. He said there was a complaint, he didn’t explain its seriousness and he said that Smith himself had asked to be moved to a different role. The session ended with delegates clapping, stamping their feet in Smith’s defence and shouting, ‚The workers united will never be defeated.‘
In 2012, W, taking at face value the SWP’s recent involvement in anti-rape campaigns, decided to rejoin. She was still traumatised by what had happened, suffering flashbacks and was tearful, and eventually she asked the SWP’s disputes committee (‚DC‘) to investigate. This time, she did describe what had happened to her in 2010 as rape.
The investigation was loaded: a majority of those investigating were Smith’s friends and appointees. He was given sight of her written statement (which the SWP has always refused to publish). She was not allowed to read his.
A second complainant came forward: at this stage, the DC heard but refused to investigate her complaint.
By a majority, they decided to take no action against him. One person who dissented was the chair of the committee, who found that there probably had been improper sexual conduct – ‚sexual harassment‘ – and that Smith’s behaviour was incompatible with membership, or leadership, of a left-wing party.
At the start of 2013, the SWP conference narrowly approved the disputes committee report; from then on large parts of the organisation operated a loyalty test: if you were willing to back Smith, you could remain in the party. if not, you were told to leave. The atmosphere, at its worst, was as hostile as could be. Members of Smith’s personal anti-fascist bodyguard, men in the late 40s, spat in the faces of a woman in her 20s who disagreed with them. Smith’s supporters threatened to beat up another young, male critic. People were silenced, jeered, told to their faces to leave.“
(https://livesrunning.wordpress.com/2016/05/22/why-i-dont-buy-socialist-worker/) /
„2010 war ein Mann namens Martin Smith (Comrade Delta) der Nationale Sekretär der SWP – das ist der Leiter der alltäglichen Arbeit, der die anderen Parteiangestellten einstellt/einsetzt [anleitet?]. Im Juli des damaligen Jahres beschwerte sich eine 19 Jahre alte Frau (‚Genossin W‘), daß er [Smith] sie mißhandelt habe. Sie benutzte nicht das Wort ‚Vergewaltigung‘, aber alle, die sie trafen und ihr zuhörten, wußten, worüber sie sprach. […]. Smith wurde von seiner Position als Nationaler Sekretär abgesetzt, aber blieb in der vollzeit[-bezahlten] Führung des Zentralkomittees.
Smith‘ Degradierung wurde schließlich [später] der Mitgliedschaft der SPW auf deren Konferenz 2011 von Alex Callinicos erläutert, der sich beklagte, daß Kräfte von außen [außerhalb der Partei] über interne Schwierigkeiten in der SWP zu berichten. Er sagte, daß es eine Beschwede [gegen Smith] gegeben hatte, nannte aber nicht die Schwere des Vorwurfs; und er sagte, Smith selbst habe darum gebeten, mit einer anderen Aufgabe betraut zu werden. Die Sitzung [dieser Abschnitt der Konferenz] endete damit, daß die Delegierten zur Verteidigung / zum Schutz [zur Unterstützung] von Smith klatschten, mit den Füßen aufstampften und riefen, ‚Wenn ArbeiterInnen einig sind, werden sie niemals besiegt‘.
2012 nahm W die kürzliche Beteiligung der SWP an einer Kampagne gegen Vergewaltigungen für bare Münze und entschied sich [der Partei] wieder beizutreten. Sie war [aber] weiterhin – durch das, was geschehen war – traumatisiert, litt an flashbacks und war den Tränen nahe; schließlich bat / forderte [beantragte] sie, daß die Schiedskommission der SWP [den Fall] untersucht. Diesmal beschrieb [bezeichnete] sie das, was ihr 2010 geschah, als Vergewaltigung.
Die Untersuchung war belastet [verschnitten / abgekartet]: Die Mehrheit derjenigen, die die Untersuchung führten, waren FreundInnen von Smith und von ihm ernannt / seine Angestellten [MitarbeiterInnen]. Ihm wurde Einsicht in das schriftliche Statement [die schriftliche Beschwerde des Opfers] gewährt, das sich die SWP aber beharrlich weigerte zu veröffentlichen. Ihr wurde aber nicht erlaubt, sein Statement zu lesen.
Eine zweite Beschwerdeführerin meldete sich: Die Schiedskommission hörte sie an, aber weigerte sich in diesem Stadium [der Auseinandersetzung], ihrer Beschwerde nachzugehen.
Mehrheitlich entschieden sie [die Mitglieder der Schiedskommission], nicht gegen ihn [den Beschuldigten] vorzugehen. Eine Person, die dissentierte, war die Person die von Vorsitz inne hatte und der Auffassung war, daß es wahrscheinlich ein unangemessenes sexuelles Verhalten – ‚sexuelle Belästigung‘ – gab und daß Smith‘ Verhalten mit Mitgliedschaft oder [gar] Führungstätigkeit in einer linken Partei unvereinbar sei.
Anfang 2013 billigte die SWP-Konferenz mit knapper Mehrheit den Bericht der Schiedskommission [über den Fall]; seitdem wurden große Teile der Organisation [Partei] einem Loyalitätstest unterzogen: Diejenigen, die bereit waren, Smith zu stützen, konnten in der Partei bleiben. Wenn nicht, wurdest Du zum Austritt aufgefordert. Die Stimmung war in den schlimmsten Momenten so feindlich, wie sie nur sein konnte. Mitglieder von Smith persönlicher antifaschistischer Bodyguard [von Smith persönlichen antifaschistischen Personenschützern / Leibgarde], Männer über 40, spuckten in das Gesicht einer Frau in den 20ern ein, die mit ihnen [(den Ansichten von) Smith‘ Leibgarde] nicht übereinstimmen. Die Unterstützer von Smith drohten einem anderem jungen, [in dem Fall:] männlichen Kritiker, ihn zu verprügeln. Leute wurden mundtot gemacht, verhöhnt und ihnen ins Gesicht gesagt, daß sie verschwinden sollen.
Neben dem New Statesman (s. bereits FN 16) berichtete auch der Guardian über die Fälle: https://www.theguardian.com/society/2013/mar/09/socialist-workers-party-rape-kangaroo-court (Artikel vom 09.03.2013). In diesem Artikel heißt es über die Anhörung der Frau, deren Bericht ich ausführlich zitiert habe:
„participants in the disputes committee hearing described the line of questioning as ‚disgusting‘ and described the suspension as a travesty. ‚The fact that he got basically a slap on the wrist was just appalling.‘“ /
„Personen, die an der Anhörung der Schiedskommission teilnahmen, beschrieben die Art der Fragen als ‚widerlich‘ und die [bloße] Suspendierung [des Täters] als Hohn auf die Gerechtigkeit. ‚Die Tatsache, daß sie ihm bloß eine Verwarnung erteilten, war gerade zu schockierend.‘“
(Nach dem Kontext des gerade angeführten Zitates zu urteilen, sind mit „participants“ andere TeilnehmerInnen als die Betroffene selbst, die zuvor in dem Guardian-Artikel zitiert worden war, gemeint.)
Wird auf der Webseite von Marx21 nach den Begriff „SWP“ und „Vergewaltigung“ gesucht, deutet bei Durchsicht der beiden Ergebnislisten nichts darauf hin, daß Marx21 jemals über die Fälle und die Auseinandersetzungen darüber berichtet hat; sondern dies alles seinen LeserInnen verschwiegen hat, obwohl die SWP öfter Thema auf der Webseite von Marx21 ist.
Anhang
Der in und bei FN 11 sowie in FN 15 zitierte Text von drei damaligen SWP-Mitgliedern ist wie folgt gegliedert:
Before the hearing
The hearing
After the hearing
1. Another woman comes forward
2. Political undermining, bullying and intimidation of comrades involved in the hearings
3. Blocking our democratic rights
Moving forward
Initial statement sent to CC on 2 January 2013 regarding Dispute Committee challenge at conference
Proposals for improving the working of the Disputes Committee
Our concerns
Unterhalb des Textes folgen zahlreiche Kommentare von LeserInnen der Webseite, auf der der Text veröffentlicht wurde. – Die Kommentare habe ich meinerseits nicht gelesen.
Der hier veröffentlichte dreiteiligen Artikel ist wie folgt gegliedert:
Teil I
Trotzkistische Positionen zum Geschlechterverhältnis – kritisch analysiert
Der aktuelle Anlaß: Die Positionierung von Marx21 zu #LinkeMeToo
#LinkeMeToo: über 60 Fälle von sexueller/sexualisierter Gewalt und ähnlichem
Zusammenarbeit mit und Boykott von ‚Bürgerlichen‘ nach Marx21-Art
Sexistisches Verhalten oder patriarchales Geschlechterverhältnis?
Marx21: „Sachlich“ über sexuelle/sexualisierte Gewalt diskutieren
Das subjektive Empfinden ist das Kriterium, das (einvernehmlichen) Sex von sexueller Gewalt u.ä. unterscheidet
Zivilgesellschaftliche Positionierung versus staatliche Strafe
Teil II
Weibliche Definitionsmacht oder „sachliche Untersuchung“ nach IST-Art?
Unklare Strukturen und Hinhalten des Opfers
Verpflichtung des Opfers (!) zu Verschwiegenheit
Anreise von zwei Schiedskommissions-Mitgliedern, Fragen nach dem Vorleben und weiteres Hinhalten
Das politische Resümee der Betroffenen
Weitere Fälle in der SWP
Teil III
Zurück zu den theoretischen Positionen von Marx21
Leitsätze
Artikel „Let’s talk about sexism, baby!“ (von 2013)
Einsicht
und persistierende Irrtümer
Artikel „Frigga Haug und der Marxismus-Feminismus“
Organisatorische Schlußfolgerung
PS. zu: „transformative justice“ (Transformative Gerechtigkeit)
PPS.: „Nebenfragen“ / „Nebenschauplätze“ (Gregor Gysi) – die nicht-marxistische / offen reformistische Variation auf marxistisches Nebenwiderspruchs-Denken
Die SWP ist die wichtigste Organisation der International Socialist Tendency (IST). Die IST ist die internationale trotzkistische Strömung, zu der jedenfalls auch die Vorläuferinorganisation von Marx21 (Linksruck) gehörte (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Linksruck&oldid=222117357
Marx21 selbst schreibt: „marx21 ist weder ‚die deutsche Sektion des internationalen trotzkistischen Dachverbandes ›International Socialist Tendency‹ (IST) mit Sitz in London (Großbritannien)‘, noch hat marx21 ‚rund 300 Mitglieder‘“ (https://www.marx21.de/marx21-verfassungsschutz-wissler-kritik-wikipedia-faq). Diese Sichtweise betrifft vielleicht einfach nur die Definition bzw. Verwendung von Begriffen wie „Sektion“, „trotzkistisch“ und „Dachverband“ – näher erläutert wird das Bestreiten jedenfalls nicht; auch nicht gesagt, ob Marx21 mehr oder weniger als 300 Mitglieder hat.
„The International Socialist Network (ISN or IS Network for short) was a short-lived revolutionary socialist organisation in Britain. It was formed as a split from the Socialist Workers Party in 2013 following the alleged rape scandal concerning former National Secretary, Martin Smith.“ (https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=International_Socialist_Network&oldid=1063200906; Hyperlinks getilgt)
http://internationalsocialistnetwork.org/index.php/ideas-and-arguments/organisation/swp-crisis/253-trigger-warning-rape-in-the-swp-a-comrade-s-testimony-and-experience-of-the-disputes-committee/.
Anhand der englischen Formulierung „organiser […] them“ läßt sich das Geschlecht der Person nicht erkennen.
„DC“ steht sicherlich für „dispute commission“.
„Further, on the phone on Wednesday evening, you named three people to whom you have previously disclosed the identity of the defendant and to whom you are currently disclosing where your DC process is up to. You have done this even though you have open access to your chosen intermediary.“
https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Socialist_Workers_Party_(UK)&oldid=1085919891 (passim). Anfang 2013 wurden auch die Adressen von Veranstaltungen/Treffen der Partei („SWP branch meetings Weekly meetings to discuss political issues and our local activity“) öffentlich bekannt gegeben: https://web.archive.org/web/20130116043729/http://www.swp.org.uk/meetingsandevents.
https://socialistworker.co.uk/contact-the-swp/.
Ein Sonderfall wäre wiederum eine klandestin organisierte Partei; aber auch dort sollte die Regulierung nicht Sache eines recht exklusiven Gremiums wie einer Schiedskommission oder eines Zentralkomitees/Parteivorstandes sein, sondern Sache eines – ebenfalls klandestin durchzuführenden – Parteitags; und die Regulierung hätte sich weniger auf die Inhalte der Kontaktaufnahme zwischen den Mitgliedern zu beziehen, als auf die speziellen Klandestinitäts-Regeln, die bei Kontaktaufnahme zwischen Mitgliedern mehr oder minder voneinander abgeschotteten Parteizellen zu beachten sind.
Mir ist nicht klar, ob sich „abuse that had happened to me previously“ auf irgendeinen früheren Mißbrauch oder einem Vorfall am selben Abend (der zu der genannten ‚Aufregung‘ führte) gemeint ist.
https://web.archive.org/web/20160605064628/http://socialistunity.com/swp-party-members-write-full-narrative-comrade-delta-rape-case (zu Socialist Unity siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Socialist_Unity_Network).
Außerdem wurden auch in dem Verfahren der Betroffenen W. Fragen zum sexuellen Vorleben gestellt: „The questions ranged from a supposed relationship she had had with an older comrade in her district to asking why she had gone for a drink with M and about her previous boyfriends, with specific people named and whether the relationships had been full sexual relationships.“ /
„Die Fragen reichten von einer vermuteten Beziehung zu einem älteren Genossen in ihrem Bezirk bis zur Frage, warum sie mit M auf einen Drink ausgegangen ist, und zur Frage nach ihren früheren Freunden [Beziehungen] – unter Nennung von Namen und unter Einschluß der Frage, ob die Beziehungen vollständige sexuelle Beziehungen waren.“
Informationen zum Vorgehen der SWP im Falle der Betroffenen X. finden sich in dem in FN 11 und 15 zitierten Text nach den dortigen Ausführungen zum Fall der Betroffenen W.
Ob im klinischen Sinne oder unspezifischer im Sinne von „Wut, Bessenheit, Raserei“ erschließt sich für mich nicht.
https://livesrunning.wordpress.com/author/.
Der Original-Link funktioniert nicht mehr; die Seite wurde aber dort: https://web.archive.org/web/20160605064628/http://socialistunity.com/swp-party-members-write-full-narrative-comrade-delta-rape-case archiviert.
In diesem – oben bereits in und bei FN 11 zitierten – Text heißt es außerdem über die Art, wie die Schiedskommission der SWP die Anhörung durchführte: „Comrade W was also continuously asked if she had been ‚in a relationship‘ with M, and this was asked of her witnesses too. There did not seem to be an understanding that rape can occur within relationships and therefore that this line of questioning was inappropriate and ignorant.“ (meine Hv.) „Genossin W wurde außerdem wiederholt gefragt, ob sie ‚in einer Beziehung‘ mit M war, und dies wurden auch ihre ZeugInnen [aus]gefragt. Dort [In der Schiedskommission] schien kein Verständnis zu bestehen, daß Vergewaltigungen auch innerhalb von Beziehungen geschehen können und daß deshalb Fragen diese Art unangemessen und ignorant sind.“
Hier handelt es sich um einen Artikel im New Statesman (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/New_Statesman) vom 14.05.2014, der weiterhin (ohne paywall) online ist.
Erinnerungsbilder (https://www.duden.de/rechtschreibung/Flashback, Nr. 3) = bildhaft-anschauliche Erinnerung an etwas Erlebtes, Vergangenes (https://www.duden.de/rechtschreibung/Erinnerungsbild).
Aus dem Text geht nicht hervor, ob der Nationale Sekretär das Recht hat, einen Teil der Schiedskommission zu ernennen, oder ob sich „appointees“ auf die Formulierung weiter oben in dem Text bezieht, daß der Nationale Sekretär die Person ist, „who employs the other party workers“.
Ich gehe davon aus, daß der Plural „faces“ („spat in the faces of a woman“) ein bloßer Tippfehler ist.
https://www.marx21.de/?s=SWP.
https://www.marx21.de/?s=Vergewaltigung.
https://web.archive.org/web/20160605064628/http://socialistunity.com/swp-party-members-write-full-narrative-comrade-delta-rape-case.